Wer wagt, gewinnt - Leben als Experiment by Bastei Lübbe

Wer wagt, gewinnt - Leben als Experiment by Bastei Lübbe

Autor:Bastei Lübbe
Die sprache: deu
Format: mobi
veröffentlicht: 2014-04-10T05:00:00+00:00


»Die reinste Form des

Wahnsinns ist es, alles beim

Alten zu lassen und gleichzeitig

zu hoffen, dass sich etwas

ändert.«

Albert Einstein

Niemand weiß genau, wie lange er noch zu leben hat. Er nicht und die Ärzte, die ihn in letzter Zeit immer häufiger untersuchen, auch nicht. Für Messami Yoshisawa spielt das keine Rolle, denn er weiß, dass er viel früher sterben wird, als sein Lebensplan es vorhergesehen hatte. Und er weiß, dass er seinen früheren Tod mit zu verantworten hat. Das weiß er seit dem 11. März 2011.

Es war der Tag, als in Fukushima ein starkes Erdbeben in drei Reaktoren des Kernkraftwerkes eine Kernschmelze auslöste, die sehr große Mengen an radioaktivem Material freisetzte (etwas mehr als das Doppelte von Tschernobyl). Luft, Böden, Wasser und Nahrungsmittel wurden kontaminiert, und etwa 150000 Menschen begaben sich auf die Flucht, weil ihre Heimat von einem auf den anderen Tag unbewohnbar wurde.

Genau ein Jahr nach der Katastrophe, die von der japanischen Atomaufsichtsbehörde mit der Höchststufe 7 eingeordnet wurde, bin ich mit meinem Kameramann nach Fukushima gereist. Ich wollte eine Reportage zum ersten Jahrestag drehen und mit den Menschen vor Ort sprechen, die Zeugen waren. Und ich wollte herausfinden, ob die Strahlenwerte, die der Betreiber der Atomanlage TEPCO an die Bürger weitergab, realistisch oder eher geschönt waren. Um es vorwegzunehmen: Sie waren geschönt und verharmlost dargestellt.

Wie lebt es sich an so einem Ort? Wie kann man ruhig schlafen mit seinen Kindern, in einem Gebiet, das radioaktiver Strahlung ausgesetzt ist? Selbst ein Jahr danach ahnt man noch, wie gewaltig die Kraft war, mit der die Natur ihre Faust auf die japanische Ostküste geschlagen hat. Die Menschen ließen an Ort und Stelle fallen, was sie gerade in den Händen hielten, rannten schreiend davon. Männer, Frauen, Kinder. Immer wieder sah ich Kuscheltiere herumliegen, persönliche Gegenstände, gerahmte Familienfotos.

Allein die meterhohen Tsunamiwellen, so weiß man heute, rissen 20000 Menschen in den Tod. Ich habe Menschen getroffen, deren Leben sich seit dem Unglückstag radikal verändert hat. Einen 22-jährigen Arbeiter zum Beispiel, der an dem Tag auf dem Reaktorgelände Dienst hatte, oder eine junge Mutter, die nur wenige Wochen später mit ihren Kleinkindern aus einer sicheren Region nach Fukushima zog, weil ihr Mann dort plötzlich Arbeit bekam und um ein Zeichen zu setzen. Ich sprach mit deutschen Technikern einer Firma vor Ort, die gerade verzweifelten, weil ihre Wundermaschine, mit der sie die kontaminierten Straßen reinigen wollten, nicht funktionierte.

Wie bei jedem Einsatz, der Gefahren birgt, hatte ich im Vorfeld mit Experten gesprochen, um mich verantwortungsvoll zu verhalten und um mich und meinen Kameramann vor zu hoher Strahlung zu schützen.

Während wir uns dem Reaktorgelände näherten, schauten wir gebannt auf den Geigerzähler mit Dosimeter, beobachteten die kleinste Veränderung. Die Strahlenwerte stiegen leicht, als wir uns der provisorischen Kommandozentrale des Kernkraftwerks näherten, dem berüchtigten J-Village. Das lag nur 18 Kilometer von den strahlenden Reaktoren entfernt am Rande des Sperrgebiets. Von der Außenwelt streng abgeschirmt, waren dort die Aufräumarbeiter untergebracht, die Ingenieure und Facharbeiter. Fremden war das Betreten des Dorfes verboten. Es war von allen Seiten mit hohem Polizeiaufkommen abgesperrt, an ein Reinkommen war nicht zu denken.



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